Von St. Mammas zu St. Laurentius

Nach der Tradition des Klosters Elchingen und der Thalfinger Pfarrei war der erste Thalfinger Kirchenpatron St. Mammas. Weder in Elchinger noch in Thalfinger Aufzeichnungen gibt es einen Hinweis darauf, wann St. Laurentius als Kirchenpatron dazu gekommen ist bzw. St. Mammas abgelöst hat. In den beiden Pfarrbüchern, I ter und II ter Theil (1694-1801, 1801-1833) wird je nach Schreibfreudigkeit des als Pfarrvikar eingesetzten Elchinger Paters mehr oder weniger ausführlich über die Feierlichkeiten anlässlich der Festtage der beiden Kirchenpatrone – Laurentiustag am 10. August, Fest des hl. Mammas am 17. August - berichtet. Dabei fällt jedoch auf, dass im 18. und 19. Jahrhundert das Fest des hl. Laurentius feierlicher, mit stets mehreren Geistlichen und einem besonderen Festprediger gefeiert wurde. St. Mammas wird an seinem Feiertag als „ 2 ter Patron der Kirche“ bezeichnet. Sowohl durch die besondere Verehrung, welche St. Mammas im Kloster Reichenau genoss, als auch durch die erste schriftliche Namensbezeugung der Thalfinger Kirche steht fest, dass der Kirchenpatron wohl ab Kirche II der hl. Mammas war. In einer Urkunde von 1404, in der es um Zehntrechte geht, wie auch in weiteren von Kardinal Raymund Peraudi anlässlich seines Aufenthalts in Ulm im Jahre 1502 bestätigten Urkunden des Klosters Elchingen (Inkorporation der Thalfinger Kirche 1252, Bestätigung der Inkorporation durch Bischof Marquard 1353), wird jeweils von der „Ecclesia parochalis Beati Mammetis Martyris in villa Thalfingen“ gesprochen. Der Kardinallegat Peraudi weilte im Auftrag des Papstes in Deutschland, wo er den Jubiläumsablass für das Heilige Jahr 1500 verkündete und zum Krieg gegen die Türken aufrief.
Wie durch die archäologisch-baugeschichtliche Untersuchung festgestellt wurde, erfolgte in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts ein vollständiger Neubau der gesamten Kirche mit Ausnahme des Turmes. In einer in der Staatsbibliothek Bamberg aufbewahrten Sammelhandschrift wird über die Weihe des Hochaltars und damit auch der Kirche zu Ehren des hl. Laurentius berichtet. Die Weihe wurde von dem Augsburger Weihbischof Dr. Johannes Kerer am Sonntag vor dem Laurentiustag, am 5. August des Jahres 1498, vollzogen.
In einer Urkunde des Jahres 1523 bestätigte Papst Hadrian VI. dem Kloster Elchingen die diesem inkorporierten Kirchen, u.a. auch die an 4. Stelle genannte Kirche ‚St. Laurenzius in Thalfingen’. In einer Urkunde des Klosters Elchingen vom 27. März 1560 ist erstmals von der Thalfinger „Lorenzkirche“ die Rede , der Kirchenpatron St. Mammas taucht in späteren Urkunden nun nicht mehr auf.
Was können die Gründe für diesen Wechsel des Patroziniums sein? Dieser Wechsel des Kirchenpatrons erfolgte m.E. nicht im Zusammenhang mit dem Kirchenneubau; der Bau der spätgotischen Kirche IV müsste 1498, als von der Hochaltarweihe berichtet wird, schon mehrere Jahrzehnte vollendet gewesen sein. Warum also diese Umwidmung? Im 15. Jahrhundert, besonders in seiner 2. Hälfte, vollzog sich eine gewaltige Expansion des Osmanischen Reiches. In ganz Europa herrschten große Angst und Schrecken vor dieser Militärmacht. Die Aufzählung einiger der türkischen Eroberungen soll diese Ängste verständlich machen: Makedonien (1430), Konstantinopel (1453), Peloponnes (1460), Bosnien (1463), Albanien (1468), Otranto in Süditalien (1480) und zwischen 1473 und 1483 fielen die Türken fünfmal in Kärnten und in der
Süd-Steiermark ein . Die von Kaiser Friedrich III. einberufenen Reichstage von 1454/55 und 1471 befassten sich mit dem Problem der vordringenden Türken und um einen Kreuzzug gegen diese finanzieren zu können, wurde ab 1471 schrittweise eine Türkensteuer im Reich eingeführt. Die Päpste Sixtus IV., Innozenz VIII. und Alexander VI. riefen zum Kreuzzug auf, versuchten die Christenheit zu einen und führten mehrere Ablasskampagnen durch, um den Türkenkrieg mit den Ablassgeldern zu unterstützen. In dieser allgemeinen Angst vor den Türken und den Schreckensnachrichten, welche sich nach immer neuerlichen Überfällen und Eroberungen rasch verbreiteten, erinnerte man sich eines Helfers, der schon einmal, in der Stunde der höchsten Gefahr geholfen hatte, die Christenheit vor der Eroberung durch die Ungarn bewahrt hatte: St. Laurentius, an dessen Feiertag, dem 10. August, im Jahre 955 die Ungarn vor Augsburg durch das Heer des Kaisers Otto I. vernichtend geschlagen worden waren. Von diesem Schutzpatron durfte man getrost Hilfe und Beistand erwarten, was lag also näher, als Kirchen und Dörfer unter seinen Schutz zu stellen, wie es schon in der 2. Hälfte des 10. Jahrhunderts in zahlreichen Orten geschehen war.


1 HStA München, Kloster Elchingen Lit. 2, fol. 346 und fol. 386. Freundliche Mitteilung von A. Aubele.
2 Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Peraudi in Bd. XX (2002).
3 Für den Hinweis auf die in Bamberg liegende Sammelhandschrift und die daraus entnommenen Daten habe ich Herrn Anton Aubele, Straß, ganz herzlich zu danken. (Staatsbibliothek Bamberg, Bestand „Helleriana“, J.H. Msc. Hist. 164).
4 Dirr, Albert 1926: Die Reichsabtei Elchingen, S. 7.Elchingen KU 388
5 Elchingen KU 493
6 Österreich-Lexikon (Internet), Stichwort ‚Türkenkriege’.
7 Siehe Anm. 2

 

zurück zu Geschichte